Gerade erst lud Barack Obama Till Brönner zum Konzert ins Weiße Haus. Der Titel seines neuen Albums passt zu seinem Leben: „The Godd Life“. Oder gibt es da noch mehr? Matthias Luckwaldt hat mit dem Jazz-Beau über Höhen, Tiefen und das wahre Glück gesprochen


Was steckt hinter dem Titel Ihres Albums?

„The Good Life“ ist ein Song, den auch Frank Sinatra gesungen hat. Darin spricht er zu jemandem, der nie etwas wagt, immer auf Nummer Sicher geht. Hey, singt Sinatra sinngemäß, wenn du mal echtes Leben willst, dann weißt du, wo du mich findest.

Ein gutes Leben ist also …

.. eines, das voller Musik ist und nie still steht. Es heißt: Du musst dich verändern, um Derselbe zu bleiben. Der spricht mir aus der Seele, denn nicht alles, wofür ich mal eingetreten bin, hat heute noch Gültigkeit.

Am Ende des Tages ist mir Zeit am wichtigsten. Zeit für mich, für Menschen, die mir lieb sind. Deshalb hängen wir auch so an Bildern, weil wir die Momente darauf nicht noch einmal erleben können. Da verblassen materielle Dinge im Vergleich ganz rasch.

Sie haben alle Songs danach ausgesucht, ob Sie ein bestimmtes Gefühl damit verbinden. Was steck hinter „Her Smile“?

Das Lied ist auf positive Weise kitschig. Es beschreibt einen Augenblick voll von ehrlichen Bekenntnissen und überschäumendem Glück. Kurz wie ein Lächeln. Das reine Glück, hat schon Hildegard Knef gesungen, kennt eh nur Minuten. Der Rest ist Warteraum. Doch wenn so ein Moment kommt, und die wirklich bewegenden kann ich an einer Hand abzählen, vergisst man ihn nie.

Würden Sie sich selbst als einen romantischen Typen beschreiben?

Ich habe oft Angst vor meiner eigenen Romantik. Ich laufe ein Stück weit von ihr weg, traue ihr nie so ganz. Man erlebt halt oft genug die Kehrseite, das Leben ist nämlich überwiegend unromantisch. Dennoch versuche ich, mir Gefühlswärme, Offenheit und Verletzlichkeit zu bewahren. Schließlich ist die schönste Liebe der Welt nichts wert, bis sie erwidert wird. Irgendwann muss Mann sich todesmutig der Gefahr einer Abfuhr stellen.

Wann haben Sie zuletzt geweint?

Als Angelique Kerber Zweite in Wimbledon wurde. Sie hat der Siegerin Serena Williams ein schönes Kompliment gemacht. Ganz authentisch, dabei schlugen sie sich eben noch die Bälle um die Ohren. Da stiegen mir sofort die Tränen in die Augen. Ohnehin bin ich recht nah am Wasser gebaut.

Wie gehen Sie selbst mit Scheitern um?

Es gab Zeiten, da habe ich mich unversöhnlich über mich selbst geärgert, wenn ich in einem Konzert nicht so spielte wie ich es mir vorgenommen hatte. Das hat mir den Schlaf geraubt. Bis ich kapiert habe, dass alles, was ich fürchte, vorüber geht.

Ein Song heißt „For all we Know“: Was möchten Sie noch vom Leben erfahren?

Ganz viel…! Und andere Dinge will ich gar nicht wissen. Nicht zu wissen, was morgen kommt, schützt uns, daran nicht schon jetzt zu zerbrechen. Bei „For all we know“ geht es um zwei Menschen, die sich nicht mehr wiedersehen werden. Ob ihre Beziehung verglüht oder eine Krankheit der Grund ist, bleibt unklar. Ein trauriger Titel, voller Zuversicht.

Sie feiern seit über 20 Jahren ununterbrochen Erfolge. Das muss man aushalten können. Träumen Sie manchmal vom Rückwärtsgang, einer Pause?

Klares Ja! Die Warnsignale blinken ja immer schon viel früher – vieles läuft am Rande der Verantwortungslosigkeit gegenüber der eigenen Gesundheit. Man meint, die ständig wachsenden Erwartungen erfüllen müssen – vor allem die an sich selbst – und fühlt sich irgendwann nur noch überfordert. Nichts für schwache Nerven! Perfektioniert habe ich den zeitweiligen Rückwärtsgang noch nicht, aber ich arbeite daran.

Sie haben gesagt: „Als Jugendlicher wäre ich gerne mit der Trompete und 20 Mark losgezogen, das wäre Glück für mich gewesen“.

Wenn man jung ist, fällt es leichter, glücklich zu sein, da ist Glück noch wie Popmusik. Denn Poptexte zitieren das, was aus Menschen herausquillt, die vom Leben noch keine Ahnung haben. Es gibt ja viele, die wieder 17 sein wollen. Dazu habe ich nie gehört. Ich wollte hinter die Kulissen des Lebens schauen. Vermutlich hat mich deshalb schon damals der Jazz fasziniert, eine Musikrichtung, die von älteren Menschen gespielt und gehört wurde.

Zum International Jazz Day 2016 wurden Sie als einziger Deutscher von Barack Obama ins Weiße Haus eigeladen.

Es war für mich erstaunlich zu sehen, wie amerikanische Jazz-Größen weiche Knie bekamen, ehe sie auf die Bühne gingen. Egal ob Legenden wie Wayne Scholter, Herbie Hancock oder Aretha Franklin. Sie alle spürten, dass es nicht um sie ging sondern um das ganze Land. Vom ersten afro-amerikanischen Präsidenten in White House eingeladen zu werden, da bekamen viele eine Gänsehaut. Auch ich, wenn ich Ihnen davon erzähle.

Würden Sie auch für Donald Trump spielen, sollte er Präsident werden?

Auf keinen Fall. Aber ich glaube, dazu wird es nicht kommen. Aber vielleicht ergibt es sich unter Hillary Clinton mal. Von den Organisatoren erfuhr ich übrigens, dass sie Obama überzeugen wollten, Taylor Swift einzuladen. Aber er hat sich geweigert. Keine Countrystars mehr, sondern lieber Künstler aus Blues und Jazz.

Hillary Clinton würde als US-Präsidentin Geschichte schreiben. Warum geben Frauen im Jazz so selten den Ton an?

Dazu habe ich noch keine schlüssige Erklärung gefunden. Man darf aber nicht vergessen, dass die erfolgreichsten Jazzmusiker Frauen waren. Legenden wie Billy Holiday, Ella Fitzgerald und Sarah Vaughan zum Beispiel. Sie alle haben große Jazzgeschichte geschrieben.

Till Brönners neuestes Album „Nightfall“ (erschienen Januar 2018) entstand in Zusammenarbeit mit dem Bassisten Dieter Ilg.

 

Foto: Chris Noltekuhlmann Sony Music Entertainment

Dieses Interview erschien erstmals 2016 in Petra.